ALS verändert alles 

Leben mit tödlich verlaufender Krankheit 

2022 sagten Ärzte zu mir, dass ich ALS (Amyotrophe Lateralsklerose) habe. Sie sagten auch, dass die Ursache meiner Krankheit nicht bekannt sei und dass ALS nicht heilbar ist. Weiter erklärten die Ärzte, dass diese Krankheit innerhalb weniger Jahre zum Tod führen würde. Das war ein großer Schock für meine Familie und mich.

Ich bin Tilman Holweg, lebe zusammen mit meiner Frau Anja im südlichen Schleswig-Holstein, rund 40 Kilometer von Hamburg entfernt. Der Diagnose ALS ging ein zwei Jahre dauernder zermürbender Untersuchungsmarathon voraus. Die langen Monate vor der Diagnose ALS waren geprägt zwischen Hoffen auf Besserung und Verzweiflung. Ohne "Rund-um-die-Uhr-Beatmung" und ohne künstliche Ernährung über meine PEG-Sonde wäre mir ein Leben heute nicht mehr möglich. 24 Stunden am Tag an 365 Tagen im Jahr stellen speziell qualifizierte Intensiv- Pflegekräfte meine Versorgung sicher. Ohne das Pflegeteam geht es bei mir heute gar nicht mehr.   

Was bedeutet ALS für mich in der verbleibenden Zeit 

Für meine Frau und mich ist es eine enorme Herausforderung mit anzusehen wie mein Körper nach und nach versagt. Alltägliche Dinge, die einmal selbstverständlich waren, werden im Verlauf zunehmend mühsam bis sie schließlich nur noch mit Hilfe von Menschen, Hilfsmitteln und zahlreichen medizinischen Geräten möglich sind oder eben auch gar nicht mehr möglich sind. Laufen, Treppensteigen, Anziehen, Waschen, Essen, Trinken, Sprechen, Atmen - eine Fähigkeit nach der anderen schwindet, während meine Abhängigkeit wächst. 

ALS bedeutet für mich, fortlaufend Bedürfnisse zu reduzieren, auf vieles zu verzichten und unendlich viel Geduld mit mir selbst und mit den anderen aufzubringen. Ganz plötzlich erscheint mir das, was früher normal war, kostbar und erstrebenswert. Der Verlust meiner Selbstständigkeit, meiner Privatsphäre und das ständige Abschiednehmen von alltäglichen Selbstverständlichkeiten sowie das Anpassen an immer neue Situationen, haben mir vor Augen geführt, wie wertvoll mein Leben vor ALS war.

Grundsätzliche Fragen, die wir uns nach meiner ALS-Diagnose stellten, z.B. was wir in der verbleibenden Zeit möchten und was nicht, waren für meine Frau und mich nicht neu. Rund zwanzig Jahre zuvor mussten wir bereits für unsere Tochter Deike entscheiden, ob wir pflegefachlich-menschliche und lebensverlängernde technische Hilfe wollen oder nicht. Wir entschieden uns bewusst für das Leben, damals bei Deike und rund zwanzig Jahre später bei mir.

Ein Geburtsstillstand mit schwerer Hypoxie schädigte Deikes Gehirn damals so sehr, dass sie zum Leben bald Beatmung und Außerklinische Intensivpflege brauchte. Zum Zeitpunkt als klar war, dass ich ALS habe, war unsere 2001 geborene Tochter bereits mehr als zwanzig Jahre rund um die Uhr auf Hilfe angewiesen. Ärzte  schlossen nach Deikes Geburt unzählige andere Krankheiten aus. Auch genetische Untersuchungen sowohl bei Deike als auch bei mir, waren gänzlich unauffällig.

Wir erlebten, wie viele fröhliche Momente es mit Deike gab, trotz kompletter Abhängigkeit. Durch Deike habe ich gelernt, dass Lebensqualität viele Gesichter haben kann. Vertraute Menschen konnten mit Deike kommunizieren, sie verstanden ihre besondere „Sprache“ mit Gestik, Mimik und mit ihren Augen. So konnte Deike bis zu ihrem Tod im April 2023 überwiegend „sagen“ was sie mochte und wollte oder was nicht. Diese enorme Lebensfreude unserer unglaublich starken Tochter Deike gab mir Kraft und Mut, mich auch für Hilfen wie Außerklinische Intensivpflege mit Beatmung zu entscheiden.

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